...

mensch je-guil,

das tut mir wirklich leid, bin derzeit wieder in einer sehr stressigen Phase mit Diplom und DVD. bist du mit deinen Pruefungen durch? Wie sind sie gelaufen? Warst du ueber die Feiertage weg?

Ich war am Sonntag im Peak District, ein bekanntes Wandergebiet ungefaher eine Stunde mit dem Zug Richtung S. Sehr schoene Gegend, extrem ruhig und freundliche Leute. Wir sind nach Eyam gelaufen, ein kleines Dorf, das Im 17. jahrhundert nach London und anderen europaeischen Staedten einen Pestausbruch erlebt hat. Die Pest war eigentlich in Europa am abklingen und in Nordengland war bis dahin noch gar nichts gewesen. Der Buergermeister hat nach den ersten Opfern die kluge Entscheidung getroffen, dass sich das Dorf von der Aussenwelt isoliert und die Pest aussitzt. Bewohner anderer Doerfer haben Essen und andere Notwendigkeiten an vereinbarten Markierungen ausserhalb des Dorfes hinterlassen, die dann von Bewohnern Eyams abgeholt wurden. Sie hinterliessen Geld in Vertiefungen grosser Felsbrocken, die sie vorher mit Essig auffuellten, um selbst die Muenzen zu desinfizieren. Im Laufe eines Jahres kam die Haelfte der Einwohner um, bevor die Pest zur Ruhe kam. Knapp 300 leute ueberlebten. Das Dorf ist bis heute erhalten und so gibt es dort einiges anzuschauen.

Gestern bin ich mit ein paar leuten nach Blackpool gefahren, etwa eine Autostunde in die andere Richtung. Blackpool ist wohl das groesste Seebad mit typischen Touristenattraktionen und vor allem Spielhoellen und Karussels in England. Tausende Englaender fahren an Feiertagen, uebers Wochenende nud fuer Betriebsausfluege etc nach Blackpool. Die Seemeile ist fuerchterlich, ein fish'n'chips neben dem anderen, dazwischen eben Spielhoellen und Touri-laeden. ich bin allerdings mit der greossten Achterbahn Europas gefahren und das war schon extrem cool. Die Bahn faellt fuer knapp eine Sekunde frei ohne Schienenkontakt einen Abhang herunter. Zuvor klettert sie bestimmt 15 Sekunden einen Berg rauf, eben der hoechste einer Achterbahn in Europa und du hast einen absolut beeindruckenden Blick aufs meer sowie Blackpool rundherum und dann stuerzt du runter - absoluter adrenalinschock. Die 7 Pfund war's wert.

Soviel zu meinen ausfluegen. Das Wochenende zuvor war ich uebrigens in der Retro bar, einem Club mit bar, die bis zwei aufhat. Die meisten Leute dort sind auch Staammgaeste im Starngarter wo A. arbeitet und so haben wir dort auch einen Typen namens Ian getroffen, etwa 60, der deutsch lernt und mich schon merhmals mit seinem kleinen Notizbuechlein genervt hat. darin schreibt er Sachen ueber Deutschland oder die deutsche Sprache auf, die ihm ab und an mal jemand mitteilt, die aber sonst kein Mensch weiss und er liebt es, andere Leute und besonders Deutsche, mit seinem profunden Wissen zu beeindrucken. Keiner weiss genau warum, aber dieser Typ trinkt in vielen Pubs in M. kostenlos und einige sagen ihm Kontakte zur Unterwelt nach. An jenem Abend habe ich jedenfalls laenger mit ihm geredet und dann hat er mich einem fuerchterlichen Deutschen vorgestellt, der ihn wohl dazu gebracht hat, deutsch zu lernen und ein guter Freund zu sein scheint. Dieser Typ, Klaus, war ein absolut unglaublicher Typ. Typischer Bayer, mit starkem bayerischem Akzent auch im Englischen, etwa Mitte vierzig, mit Hut und eigenem Bierkrug aus Metall auf dem die bayerische Hymne eingraviert ist. Bestellt hat er sich immer 2 Flaschen Becks, die er beide in den Metallkrug gefuellt hat und zwei Jaegermeister, einen fuer direkt und den anderen gab's so nach der Haelfte des Bierkrugs. Klaus hat recht schnell getrunken und war bei diesem Getraenkemix dementsprechend voll und hat im Prinzip nur Scheisse von sich gegeben. Irgendwann ist er dann vom Barhocker gefallen und hat sich schwer torkelnd aus der Tuer geschafft. Kurz vor seinem abgang fing er an ueber seine Arbeitskollegen und die Anforderungen an seinem Arbeitsplatz zu reden und als ich dann fragte, was er denn genau macht, kam recht ueberraschend heraus, dass Klaus ein Professor fuer Theoretische Physik an der Uni ist.

Als ich mit ihm geredet habe, kam mehrmals ein juengerer Typ, vielleicht Mitte zwanzig und vollkommen voller Drogen, an und klopfte mir auf die Schulter. Eigentlich wollte er nur ein Feuerzeug haben, als er aber Klaus vom Alkoholkonsum recht laut und heiter in vollem bayerischem Akzent auf Deutsch krakelen hoerte, fing dieser Typ an mir Pseudodeutsche Woerter ins Gesicht zu schreien. Diese ziemlich unhoefliche Aktion wurde beendet, in dem Ian, der 60jaehrige Freund von Klaus, diesen jungen Typen vorsichtig weg zog, seinem Arm um ihn legte und ihn langsam wegdrehte, so wie man einen Besoffenen nach draussen begeleitet. Der junge Typ kam zweimal an, aber mehrmals konnte ich im Augenwinkel sehen, wie Ian ihn bereits abfangen und wegdrehen konnte, bevor er in unserer Ecke ankam und ich hatte schon das Gefuehl, dass er es wieder auf uns abgesehen hatte. Eine auessert nette Aktion von Ian also, diesen Typen von uns fernzuhalten, ohne ihn vor den Kopf zu stossen. Ich dachte mir, dass er seine Freunde, und erst recht Auslaender, nicht von besoffenen Englaendern belaestigt sehen will. Nachdem Klaus dann rausgeschlingert war habe ich mich laenger mit Ian unterhalten und ihm erzaehlt,dass ich zum ersten Mal in der Retro bar bin und er sagte, es waere eine tolle bar, nur waeren leider an jenem Abend so viele Arschloecher da. Dabei deutete er mit seinem Kopf nach hinten in richtung von dem jungen Besoffenen, der ganz klar Aerger suchte. Als ich rueberschaute stand der junge Kerl in einer truppe von fuenf oder sechs grossen ziemlich uebergewichtigen Glatzkoepfen, alle etwa um die Vierzig. Bis auf ihn wirkte die Gruppe sehr ruhig, die anderen unterhielten sich normal und tranken langsam ihre Biere. Mein Blick schweifte zurueck auf Ian, der wohl gemerkt hatte, wen ich beoabachte und nickte mir zu. Dann sagte er: Richtig, dass sind sie. Und in dem Moment erkannte ich einen der grossen fetten Typen aus der Zeitung. Der Boss der Gangstertruppe der Familie Noonan. Einer aus dem Clan war vor nicht allzu langer Zeit erstochen worden und da war das Bild des Obergangsters in der Zeitung. Der soll angeblich ueber 20 Leute auf dem Gewissen haben. Im Fernsehen sagte er, sein Waffenarsenal sei groesser als das der Polizei von M. Ist bestimmt viel Laberei dabei, aber ueble Typen scheinen die Jungs schon zu sein. Also habe ich Ian gefragt, was der junge besoffene Typ mit denen zu tun hat und er sagte er haette ihn noch nie zuvor gesehen, aber wahrscheinlich waere er ein Verwandter. Wahrscheinlich ist der ihnen sogar ein bisschen unangenehm, aber wenn er in Aerger geraet, wuerden die Typen das fuer ihn erledigen. Kurz danach ist die ganze Mannschaft inklusive dem besoffenen Kerl dann abgehauen und Ian hat mir etwas genauer erzaehlt, was das fuer Typen sind. Mir wurde dann klar, warum Ian mehrfach diesen aergersuchenden Besoffenen von uns ferngehalten hat und, obwohl er das sehr freundlich gemacht hat, vermute ich, dass er die Noonans dadurch nicht haette veraergern koennen, weil man sich kennt und respektiert. Mir erschien die Vorstellung danach einfach absolut schockierend, wenn dieser Besoffene noch ein paar mal angekommen waere und mich / uns mit seinem Pseudo-Deutsch provoziert haette und Klaus, der ja nun schon gut einen im Kahn hatte, dann mal was auf Deutsch zurueckgeraunzt haette und es damit zum Eklat gekommen waere. Oder aber einfach die Ueberlegung, dass du nur zu einem Typen, der etwa fuenf Meter entfernt steht, hingehen musst und ihn nach dem Wohlbefinden seines (ermordeten) Bruders fragen musst und dein Leben ist aus. Klaus wusste ja mit Sicherheit ueberhaupt nichts von der prominenten Gesellschaft und hat diesen Besoffenen Typen schon beim zweiten Kontakt, als er eine Kippe von Klaus abkaufen wollte, einen extrem genervten und herablassenden Blick in dessen Richtung geschickt und dann in ebenfalls herablassendem Tonfall auf deutsch mehr zu mir als zu ihm gesagt: Die kannste auch umsonst haben. Wie knapp das im Nachhinein erscheint. Einmal mehr und Klaus waere nicht mehr.

So, jetzt muss ich mal wieder ran an die Arbeit.

bis die tage

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